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Algorithmische Topologie

Lektion 8. Ein Algorithmus zur Erkennung der 3-Sphäre.

8.0. Bemerkungen zu der Lektion 7.

Wir geben hier eine Definition des Dehnfaktor und erklären (aber beweisen nicht) seine Eigenschaften.

Sei $F$ eine Fläche. Wählen wir eine Riemannsche Metrik $\mu $ auf $F$. Für eine wesentliche Kurve $C\subset F$ wird die minimale Länge der Kurven, die zu $C$ isotop sind, durch $\vert C\vert _{\mu}$ bezeichnet.

Definition. Sei $f\colon F\to F$ ein pseudo-Anosov Homöomorphismus, d.h. ein Homöomorphismus, der keine wesentlichen periodischen Kurven zuläßt. Wählen wir eine wesentliche Kurve $C$ auf $F$. Dann ist der Dehnfaktor $\lambda(f)$ durch die folgende Formel gegeben:

\begin{displaymath}\lambda(f)=\lim_{n\to \infty}\vert f^n(C)\vert _{\mu}^{1/n}.\end{displaymath}

Es stellt sich heraus, daß $\lambda(f)$ von der Wahl von $C$ und $\mu $ unabhängig ist.

Um $\lambda(f)$ zu kalkulieren, betrachten wir eine Henkelzerlegung $\xi $ von $F$ in Inseln und Brücken. Wir können annehmen, daß $f$ Inseln nach Inseln abbildet. Sei $\Gamma $ ein Mittelgraph von $\xi $. Die Eckpunkte von $\Gamma $ sind die Zentren von Inseln, die Kanten $K_i$ von $\Gamma $ entsprechen den Brücken $B_i, 1\leq i \leq m$.

Es ist leicht, $f$ so isotop zu deformieren, daß das Bild $f(K_i)$ jeder Kante eine "fast normale" Kurve ist, d. h. $f(K_i)$ hat keine Umkehrungen (wir haben "fast" gesagt, weil $f(K_i)$ eine unpropere Kurve ist und darum der Definition der normalen Kurve nicht völlig entspricht). Wir können auch annehmen, daß für jede Kante $K_i$ nicht nur $f(K_i)$, sondern alle Kurven $f^n(K_i), 1\leq n \leq \infty,$ fast normal sind. Das ist etwas schwieriger, dann um dies zu erreichen, müssen wir nicht nur $f$, sondern auch $\xi $ ändern.

Jetzt schreiben wir die Matrix $M_f=(a_{ij})$, wobei $a_{ij}$ die Anzahl der Strecken in $f(K_i)\cap B_j$ ist. Die Elemente von $M_f$ sind nicht-negativ. Jede solche Matrix bestimmt eine lineare Abbildung $M_f\colon R^m\to R^m$, die den positiven Quadrant $Q_+=\{\bar x: x_i\geq 0\}$ auf sich selbst abbildet. Jede solche Abbildung hat einen einzigen Eigenvektor $\bar v$ mit Eigenwert $\lambda > 1$ (falls es zwei solche Vektoren göbe, würde $f$ periodische Kurven haben). Dieses $\lambda $ ist der Dehnfaktor.

Um dies zu erklären, betrachten wir die induzierte Abbildung $f'\colon \sigma \to \sigma$, wobei $\sigma$ das Simplex mit Eckpunkten $(1,0, \ldots, 0), \ldots (0,0,\ldots 1)$ ist. Man kann $f'$ so beschreiben: $f'(\bar x)=\bar y$, wenn $f$ der Strahl $\{ t\bar x, t\geq 0\}$ auf den Strahl $\{ t\bar y, t\geq 0\}$ abbildet. Die Abbildung $f'$ ist komprimierend. Daraus folgt, daß für große $n$ das Bild $f^n(Q_+ )$ in einer sehr engen Umgebung des Strahles $\{ t\bar v, t\geq 0\}$ liegt. Siehe Fig.1.

Figure: $f^n(Q)$ komprimieren sich zu der Gerade $\{t\bar v, t>0 \}$
\begin{figure}\centering \unitlength=0.24pt
\begin{picture}(2500,1000)
\put(0,1000){\special{em:graph thurst.pcx}}
\end{picture}.\end{figure}

Es sei bemerkt, daß die Elemente der Matrix $M_{f^n}$ wie $\lambda^n$ wachsen. Dies bedeutet, daß die Anzahlen von Strecken in $f^n(K_i\cap B_j)$ auch wie $\lambda^n$ wachsen. Dasselbe gilt für Längen von Kanten in jeder Metrik und darum für allen wesentlichen Kurven. Dies bedeutet, daß die Wurzeln vom Grad $n$ von diesen Längen den konstanten Wert $\lambda $ zustreben.

8.1. Theorie der normalen Flächen (bezüglich Henkelzerlegungen).

Diese Version der Normalflächentheorie ist bequemer für die Erkennung der 3-Sphäre. Man muß  bemerken, daß alle Flächen in $S^3$ kompressibel sind. Deshalb können wir die bisherige Technik nicht anwenden. Wir werden auch nicht $S^3$, sondern $B^3$ (den Ball) erkennen.

Die Henkelzerlegung einer berandeten 3-Mannigfaltigkeit $M$ besteht aus Kugeln, Balken und Platten., d. h. aus Henkeln vom Index 0, 1 und 2. Auf dem Rand jeder Kugel $B$ liegen Inseln, Brücken und Seen, die eine Henkelzerlegung von $\partial B$ bilden.

Sei $\xi $ eine Henkelzerlegung von $M$.

Definition. Eine geschlossene Fläche $F\subset M$ heißt 2-normal, wenn folgendes gilt:

  1. Der Schnitt von $F$ mit jeder Platte $D^2\times I$ hat die Form $D^2\times K$, wobei $K$ eine endliche Menge von Punkten im Innern von $I$ ist.
  2. Der Schnitt von $F$ mit jedern Balken $I\times D^2$ hat die Form $I\times L$, wobei $G$ eine endliche Menge von properen disjunkten einfachen Kurven auf $D^2$ ist.
  3. Der Schnitt von $F$ mit jeder Kugel besteht aus Scheiben (elementar genannt), so daß die Randkurve jeder Scheibe normal ist.
  4. Der Schnitt jeder Randkurve mit jeder Brücke besteht aus höchstens 2 Strecken (deshalb wurde die Fläche 2-normal genannt). Haken betrachtete 1-normale Flächen, aber für unser Problem sind 2-normale Flächen besonders bequem. Die Hakensche Theorie arbeitet in diesem Fall ohne irgendeine Beschränkung).

Die Strategie der Erkennung von $B^3$ besteht darin, daß wir die Henkelzerlegungen einer gegebenen 3-Mannigfaltigkeit $M$ zu vereinfachen versuchen werden. Dazu ist ein Begriff von Kompliziertheit nötig.

Die Kompliziertheit $\gamma (B)$ eines Balkens ist die Zahl $\max (0, v(B)-2)$, vobei $v(B) $ die Valenz von $B$ ist. Die Kompliziertheit $c(\xi)$ einer Henkelzerlegung $\xi $ ist die Summe der Kompliziertheiten von allen Balken.

8.2. Reduzieren der Henkelzerlegung. Sei $\xi $ eine Henkelzerlegung eines Homologieballs $M$. Wir beschreiben einige Transformationen von Henkelzerlegungen, die auch $M$ ändern können.

1. Entfernen eines Balkens mit Valenz 0. Wenn eine Balke existiert, an der keine Platten angeklebt sind, entfernen wir diesem Balken. Dabei wird $M$ in zwei Komponenten $M_1, M_2$ zerlegt. $M$ ist ein echter Ball $\iff $ $M_1, M_2$ sind echte Bälle.

2. Vernichtung einer Balke mit Valenz 1 und der entsprechenden Platte. Wenn an einer Balke nur eine Platte angeklebt ist, dann entfernen wir beide.

3. Aufschneiden einer Kugel. Nehmen wir an, daß eine Kugel $B$ von $\xi $ eine propere Scheibe $ D$ enthält, so daß $\partial D$ in einem See liegt und jede Komponente von $\partial B\setminus \partial D$ mindestens eine Insel enthält. Wir schneiden $B$ entlang dieser Scheibe auf. Dabei wird $M$ wieder in zwei Komponenten $M_1, M_2$ zerlegt. $M$ ist ein echter Ball $\iff $ $M_1, M_2$ sind echte Bälle.

4. Entfernen einer trennenden Brücke. Nehmen wir an, daß eine Kugel $B$ von $\xi $ eine propere Scheibe $ D$ enthält, so daß $\partial D$ nur eine Insel nur einmal quer schneidet. Wir verwandeln $B$ in zwei Bälle, die mit einen Balken verbunden sind, so daß die trennende Brücke durch den neuen Balken geht. Dann hat des neue Balken Valenz 1, und wir entfernen sie zusammen mit der anliegenden Platte.

5. Entfernen einer trennenden Insel. Nehmen wir an, daß eine Insel $A$ einen properen Bogen $l$ enthält, so daß das folgende gilt:

  1. Die Endpunkte von $l$ befinden sich auf dem Ufer desselben Sees.
  2. $l$ schneidet $A$ in zwei Teile $A_1, A_2$ auf, so daß jeder Teil Valenz $\geq 2$ hat.
Dann ersetzen wir $A$ durch zwei neue Inseln $A_1, A_2$, die mit einer neuen Brücke verbunden sind. Gleichzeitig ersetzen wir den entsprechenden Balken durch ein Paar von Zwillingsbalken und eine neue Platte, die zwischen ihnen läuft. Die neue Brücke ist trennend, und wir verwenden Transformation 4.

Eine Henkelzerlegung heißt reduziert, wenn die Transformationen 1-5 nicht angewandt werden können. Jede Zerlegung $\xi $ eines Homologieballes $M$ läßt sich zu einer Zerlegung $\xi'$ in etliche Homologiebälle $M_1, \ldots M_n$ reduzieren. Es gilt:

1. $M\approx B^3 \iff M_i\approx B^3$ für alle $i$;

2. $c(\xi')\leq c(\xi)$.




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