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Algorithmische Topologie

Lektion 4. Wie kann man das Homöomorphiproblem für Haken 3-Mannigfaltigkeiten lösen?.

4.1. Eine Idee von Haken.

Sei $M$ eine triangulierte orientierbare 3-Mannigfaltigkeit. Nehmen wir an, daß  $M$ keine normalen Sphären oder Tori enthält. Nach Satz 4.1 (zweiter Endlichkeitssatz) gibt es für jedes $k$ nur eine endliche Menge von inkompressiblen randinkompressiblen Flächen von maximaler Eulerschen Charakteristik. Nehmen wir an (obwohl das phantastish ist), daß diese Behauptung immer richtig ist, ohne irgeneine Voraussetzungen. Dann könnten wir das Homöomorphieproblem leicht lösen.

Seien $M,N$ zwei gegebene 3-Mannigfaltigkeiten. Falls $M$ geschlossen ist, nehmen wir eine minimale (d.h. von maximaler Eulerscher Charakteristik) inkompressible Fläche $F_0\subset M$. Falls $\partial M\neq
\emptyset$, nehmen wir $F_0=\partial M$. Dann fangen wir an, neue und neue Scheidewände im $M$ zu errichten. Jede nächste Scheidewand ist eine minimale inkompressible randinkompressible Fläche, die die Vereinigung von allen bisherigen Flächen nur mit dem Rand berührt. Letzen Endes bekommen wir ein 2-dimesionales Polyeder $P\subset M$, dessen Außenraum nur aus Bällen besteht. $P$ heißt ein spezielles Gerüst von $M$.

Sei ${\cal P}(M)$ die Menge von allen speziellen Gerüsten, die man so bekommen kann. Da es für jede nächste Scheidewand nur eine endliche Auswahl gibt, ist ${\cal P}(M)$ endlich. ${\cal P}(M)$ ist eine Art Hierarchie für $M$. Dieser Begriff wurde von Haken eingeführt und dann von Waldhausen, Johannson und anderen entwickelt. Es folgt aus der Konstruktion von ${\cal P}(M)$, daß ${\cal P}(M)$ nur von dem topologischen Typ von $M$ abhängt. Dann gilt:

$M$ und $N$ sind homöomorh $\Longleftrightarrow $ ${\cal P}(M)$ und ${\cal P}(N)$ sind identisch, d.h. bestehen aus derselben Zahl von paarweise homöomorphen Polyedern.

( ${\cal P}(M)={\cal P}(N) \Rightarrow M_1 \approx M_2$ fuktioniert nur, wenn ${\cal P}$ spezielle Polyeder sind).

4.2. Kommentare.

1. Das Homöomorphieproblem für 2-dimensionale Polyeder ist trivial (ein Algorithmus zum Vergleich zweier gegebener 2-dimensionaler Polyeder läßt sich leicht konstruieren, weil die Homöomorphieprobleme für Graphen und Flächen gelöst sind).

2. Die Voraussetzung "keine normalen Sphären und Tori " , als auch "keine normalen Scheiben und Kreisringe ", wenn $M\neq \emptyset$, ist entscheidend (nur diese Flächen haben $-\chi \leq 0$). Oft kann man diese Voraussetzung umgehen, aber für einige spezielle Klassen von 3-Mannigfaltigkeiten muß  man das Homöomorphieproblem gesondert lösen, zum Beispiel, für Seifertsche 3-Mannigfaltigkeiten, für $I$-Bündel, für Stallingssche und quasi- Stallingssche 3-Mannigfaltigkeiten.

Ein Umweg besteht darin, daß wir uns nicht vor normalen Tori und Kreisringen fürchten müssen, sondern vor Tori und Kreisringen, die inkompressibel, randinkompressibel und nicht randparallel sind. Der Grund dafür ist ein Satz von Jaco und Tollefson: jede inkompressible, randinkompressible und nicht randparallele Fläche kann als eine lineare Kombination von Flächen, die dieselben Eigenschaften besitzen, dargestellt werden.

Auch triviale Sphären und Scheiben sind nicht der Sorge wert.

3. Wenn wir eine nächste Scheidewand $F$ zu errichten versuchen, muß  man die Anzahl der Schnittpunkte in $\char93  (\partial F\cap \Gamma)$ in Betracht ziehen, wobei $\Gamma $ eine Vereinigung von Ecklinien ist (eine Ecklinie ist der Rand einer Scheidewand, die benachbarte Kammern trennt). So muß  man die Kompliziertheit einer Fläche nicht nur durch ihre Eulersche Charakteristik messen, sondern durch eine Kombination von Eulerscher Charakteristik und dieser Anzahl (man kann die Differenz $\char93  (\partial F\cap \Gamma)-\chi (F)$ nehmen). Wir kommen so in naturlicher Weise zu einem Begriff von 3-Mannigfaltigkeit mit Randmuster $\Gamma $, das aus den Ecklinien und ihren Schnittpunkten besteht. Die ganze Normalflächentheorie muß  auf 3-Mannigfaltigkeiten mit Randmuster veralgemeinert werden.

4. Da $M$ irreduzibel ist, sind alle Kammern auch irreduzibel. Freilich können die Kammern nicht-triviale Scheiben enthalten, aber jede solche Scheibe muß  mit dem Randmuster mindestens zwei gemeinsame Punkte haben. Dann ist ihre Kompliziertheit größer als Null, und darum ist sie nicht gefährlich. Aber es ist sowieso bequem, mit Errichtung von Scheibenwände anzufangen, um randirreduzible Kammern zu bekommen.

Eine Fläche heißt rein, wenn sie nicht das Muster schneidet. Um reine inkompressible Tori und Kreisringen zu vernichten (nur sie können die Kompliziertheit Null haben und sind darum gefährlich), errichten wir gleich nach den Scheibenwände Wände, die aus solchen Tori und Kreisringen bestehen.

5. Warum kann man sicher sein, daß der Prozeß  der Scheibenerrichtung endlich ist? Dazu braucht man den Begriff der Kompliziertheit $c(Q)$ einer Kammer $Q$. Die Kompliziertheit besitzt die folgenden Eigenschaften:

  1. Die Errichtung jeder nächsten Wand vermindert die totale Kompliziertheit der Kammern.
  2. Jede inkompressible randinkompressible Kammer $Q$ mit $c(Q)=0$ ist ein Ball.
Dies garantiert uns, daß   der Prozeß  endlich ist. Anderseits kann er nur mit Ballkammern enden. Nämlich hat jede nicht ballförmige Kammer $Q$ einen nicht sphärischen Rand (Dank der Irreduzibilität von $Q$). Es folgt, daß   $H_1(Q,Z)$ unendlich ist, d.h. $H_1(Q,Z)=Z\oplus \{$ etwas$\} $. Wir können jetzt einen surjektiven Homomorphismus $\varphi : \pi_1(Q) \to \pi_1(S^1)=Z$ finden und $\varphi$ durch eine Abbildung $f :Q\to S^1$ realisieren. Dann ist das Urbild von einem Punkt $\{ \ast \} \in S^1$ eine nicht-zerlegende Fläche, die nach Komprimieren eine nicht-zerlegende inkompressible Fläche gibt. In diesem Fall könnte man den Prozeß  fortsetzen.




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WWW Administrator 2001-10-30