6.1. Zweiter (echter) Endlichkeitssatz für einfache 3-Mannigfaltigkei ten.
In Lektion 4 wurde gezeigt, daß eine triangulierte 3-Mannigfaltigkeit nur endlich viele
inkompressible geschlossene Flächen mit
enthält, unter der Voraussetzung,
daß es keine normalen Flächen
mit
gibt. Hier zeigen wir, daß der Satz für jede einfache 3-Mannigfaltigkeit mit Randmuster auch
ohne diese Voraussetzung stimmt.
Satz 6.1. Sei eine triangulierte orientierbare 3-Mannigfaltigkeit mit
Randmuster
, das
aus Kanten besteht. Nehmen wir an, daß
irreduzibel,
randirreduzibel und einfach ist. Dann gibt es für jedes
eine endliche Menge
von inkompressiblen randinkompressiblen Flächen in
mit folgender Eigenschaft:
Jede inkompressible randinkompressible Fläche mit Kompliziertheit
ist zu einer Fläche
rein isotop (eine Isotopie heißt rein, wenn sie zu einer Isotopie
erweitert werden kann).
Der Beweis stützt sich auf folgendes Lemma.
Lemma 6.1. Sei eine irreduzible randirreduzible normale Fläche in
. Nehmen wir an, daß
in
der Form
dargestellt werden kann, wobei
ein unwesentlicher Torus oder
ein reiner unwesentlicher Kreisring ist. Dann gilt: entweder ist
zu einer
Fläche
mit dem kleineren Kantengrad rein isotop, oder
hat eine Darstellung
, wobei
zu
isotop ist und
aus weniger Kurven als
besteht.
Beweis. Erstens zeigen wir, daß das Ergebnis stimmt, wenn
Scheiben- oder Halbscheibenflicken enthält. Das Verfahren dazu ist dasselbe wie
in der algorithmischen
Bestimmung des Geschlechts einer Randkurve (Lektion 3).
Nehmen wir an, daß
weder Scheiben- noch Halbscheibenflicken enthält.
Dann sind alle Doppelkreise oder Doppelbögen auf
nicht-trivial.
Sei ein Torus, der zu einem reinen Randtorus parallel ist.
1. Nehmen wir an, daß es in
dem Raum zwischen beiden Tori einen Kreisringflicken
gibt,
der zu einem Kreisringflicken
parallel ist. Es sind drei verschiedene Umschaltungen
längs
möglich (das vierte Paar von Umschaltungen produziert eine nicht zusammenhängende
Fläche). Figur 1a zeigt, warum in zwei Fällen
zu einer einfacheren Fläche
rein
isotop ist und in einem Fall
eine einfachere Darstellung
besitzt.
2. Nehmen wir an, daß aus Kreisringen besteht, die eine Randkomponente auf
und die andere auf
haben. Dann müssen die regulären Umschaltungen
dieselbe Richtung
haben, andernfalls bekommen wir eine nicht zusammenhängende Fläche. Figur 1b zeigt, warum
zu der einfacheren Fläche
rein isotop ist. Damit ist der Fall eines randparallelen Torus erledigt.
Die Fälle eines kompressiblen Torus und eines unwesentlichen Kreisrings lassen sich durch ein ähnliches Verfahren bearbeiten.
6.2. Der Aufbau von Scheidewänden fängt an.
Sei eine irreduzible randirreduzible 3-Mannigfaltigkeit. Fangen wir an,
die charakteristische Menge
von Hierarchien zu konstruieren.
Schritt 1. Wir beginnen mit
.
Sei
eine Kammer, die während der bisherigen Schritte
erschienen war und
die kein Vollring mit einem reinen Längskreis ist.
Schritt 2. Nehmen wir an, daß randreduzibel ist
(wenn
wie eine 3-Mannigfaltigkeit ohne Randmuster
betrachtet wird). Dann wählen wir unter den randkomprimierenden Scheiben eine einfachste Scheibe,
d. h. eine Scheibe
, die die minimale Anzahl von Punkten in
hat. Schritt 2 besteht
darin, daß wir eine neue Scheidewand
errichten.
Schritt 3. Nehmen wir an, daß randirreduzibel ist
und einen wesentlichen Torus
oder einen
longitudinalen Kreisring
enthält.
Dann nehmen wir
bzw
als eine neue Scheidewand.
Schritt 4. Nehmen wir an, daß randirreduzibel ist und
keine wesentlichen
Kreisringe und Tori enthält. Dann ist
einfach. Wir errichten eine einfachste
Scheidewand, die nicht randparallel ist.
Die Schritte 2-4 müssen solange ausgeführt werden, wie es möglich ist (warum das
Verfahren endlich ist, werden wir später sehen).
Bei jedem Schritt vervielfältigen
wir (zusammen mit dem entsprechenden teilweisen Gerüst in
)
in so viele Exemplare,
wie nötig ist, um alle Varianten zu realisieren. Am Ende bekommen wir eine endliche
Menge von verschiedenen teilweisen Gerüsten in
. Untersuchen wir die Struktur
der Kammern, die man auf dieser Stufe sehen kann.
Satz 6.2. Es gilt:
Beweis: Zu 1: offensichtlich. Zu 2,3: folgt aus der Konstruktion, da andernfalls der Aufbau fortgesetzt werden könnte.
6.3. Der Aufbau von Scheidewänden geht weiter.
Es ist sehr leicht, die Vereinigung
von Vollringen in Bälle zu zerlegen:
es reicht eine Quersektion
ein bißchen zu deformieren (Fig. 2a).
Die Vereinigung von Kammern des zweiten Types besteht aus
-Bündeln, Mannigfaltigkeiten und
Quasi-Mannigfaltigkeiten von Stallings. Siehe Fig. 2b.
Die -Bündel lassen sich auch in Bälle zerlegen, da jedes solche Bündel nur endlich viele
transversalen Kreisringe enthält (modulo Homöomorphismen
).
Wir fügen diese Kreisringe ein. Für Mannigfaltigkeiten und Quasi-Mannigfaltigkeiten von Stallings
arbeitet dasselbes Verfahren nicht, da ihre
-Bündelkomponenten keinen
freien Rand haben.
Schlußfolgerung. Das Homöomorphieproblem für
Mannigfaltigkeiten und Quasi-Mannigfaltigkeiten von Stallings muß
durch andere Methoden gelöst
werden.